Tizza Covi präsentiert bei den Bozner Filmtagen 2015 ihre Doku „Der Fotograf vor der Kamera“. Das Interview mit Tizza Covi dazu entstand auf der Diagonale 2014. Hier der Original-Artikel als pdf.
In Bozen ist passend zum Film auch die Ausstellung „Erich Lessing – Anderswo“ mit ausgewählten Fotografien zu sehen, in der Galerie Foto-Forum.
“Zu einem guten Punkt kommen”
Die gebürtige Boznerin Tizza Covi über ihren neuen Film “Der Fotograf vor der Kamera”, ihre ganz eigene Arbeitsweise sowie die heimische Filmförderung. Und die Wahlwienerin beweist dabei, dass sie den Südtiroler Dialekt nicht verlernt hat. Die neue Dokumentation feierte vergangene Woche bei der Diagonale ihre Premiere.
Wie ist es zu dem Projekt gekommen?
Das war unser erster Film, der nicht unsere Idee war. Wir waren im Schnitt von “Der Glanz des Tages” (Tizza Covi/Rainer Frimmel 2012 Anm.) und hatten einen Durchhänger und da kam Ralph Wieser von der österreichischen Produktionsfirma Mischief Films auf uns zu, ob wir das nicht machen wollen. Wir haben ja beide Fotografie studiert, es war also ein Thema das uns interessiert hat.
Wir haben Erich Lessing kennengelernt und haben uns auch sehr gut verstanden. Er hat ein großes Interesse für’s Projekt gehabt, was sich dann aber wieder relativiert hat, weil er hat tatsächlich und definitiv nie Zeit für uns gehabt. Wir sind gewohnt bei unseren Filmen viel Zeit zu haben. Unser Kapital ist Zeit. Wir überlegen immer genau was wir machen, wir können zwei Stunden einen Kaffee trinken und dann machen wir zehn Minuten eine Szene. Beim Erich war’s anders. Wir sind mit der ganzen Technik gekommen und dann hat er gesagt, schön, dass ihr da seid’s, aber leider muss ich in zehn Minuten wieder weg. Er hat wirklich mit 90 Jahren mehr Termine als ich in meinen vollgefülltesten Zeiten. Das war schon schwierig.
Wie lang habt ihr an dem Projekt gearbeitet?
Wir haben dann doch zwei Jahre gedreht um das Material zu bekommen, mit dem wir zufrieden sein konnten und ihn immer wieder begleitet.
War das also gar keine grundsätzliche methodische Entscheidung in diesem zurückhaltend beobachtenden Stil zu arbeiten?
Es wäre, so wie wir ihn kennengelernt haben und wie wir sein Leben beobachtet haben, einfach total langweilig gewesen einen Interview-Film mit ihm zu machen, wie er sitzt und sein Leben zum hunderttausendsten Mal erzählt und vielleicht noch seine Fotos zeigen. Das hätte einfach zu ihm überhaupt nicht gepasst. Die allererste Szene, die wir mit ihm gedreht haben, war ein Interview gewesen. Und das war so klassisch-langweilig, das wir gesagt haben, sowas wollen wir nicht machen. Und dann ist eben die Idee geboren worden, dass wir ihn begleiten bei seinen Terminen und ihn auch durch die Augen der Presse zeigen. Wir haben also Interviews nur von den anderen führen lassen und mitgefilmt. Der Film heißt “Der Fotograf vor der Kamera” in Bezug auf uns und natürlich in Bezug auf die ganzen anderen Journalisten und Filmemacher, weil er in den ganzen Interviews vor einer anderen Kamera ist und weil das natürlich auch zeigt, wie gehen Filmteams, die sehr wenig Zeit haben, mit Persönlichkeiten um, die sie nicht kennen.
Wie würden Sie die Art der Dokumentation beschreiben? Was ist eure Methode, euer Zugang?
Man kann es ganz schwer beschreiben, weil für jedes Projekt erfindet man eigentlich eine andere Art. Bei uns gibt es zwei Standpfeiler, die immer extrem wichtig sind: Das ist einerseits der Humor. Es ist einfach im Leben so, egal ob Du in tragischen oder fröhlichen Situationen bist, es gibt immer Situationshumor. Den kann man nicht schreiben, den kann man nur finden oder eben warten bis der kommt. Das Zweite ist eine Annäherung an Persönlichkeiten, so weit es eben möglich ist in 70 oder 90 oder 100 Minuten. Es ist immer nur ein kleiner Teil und trotzdem muss man sich da ganz auf ein oder zwei Personen konzentrieren um wenigstens einen Bruchteil von dem, was man selber weiß oder erlebt hat, mitteilen zu können.
Es ist ja nicht nur ein Film über den berühmten Fotografen Erich Lessing, sondern auch ein bisschen über den privaten Menschen, oder?
Wir hätten gern noch mehr die Beziehung zu seiner Frau Traudl ausgearbeitet, weil sie ja auch immer mit ihm unterwegs war und man sieht auch jetzt, dass er ohne sie ganz schwer was entscheiden kann. Und die paar Aufnahmen, die wir machen durften, haben wir dann auch verwendet.
Es gibt bisher nur wenig Sachen über ihn, immer mit direkten Interviews, wo er es immer unter Kontrolle hat, was von ihm gezeigt wird. Aber gerade die Sachen zu Hause und mit seiner Frau sind interessant, eben diese Kleinigkeiten. Das ist mein allererster Porträt über jemanden und des ist echt schwer, was du benutzen kannst und wie weit du gehen kannst. Es schaut so locker aus. Ich selber hab mir gedacht, ja ein Porträt über jemanden ist ja nicht so… aber das stimmt nicht, das ist echt schwer!
Wie war die Zusammenarbeit mit einem so großen Fotografen wie Erich Lessing? Hat er sich beim Filmischen eingemischt und euch gesagt, wie ihr filmen sollt?
Nein, da haben wir eigentlich nie eine Bemerkung bekommen. Das ist nämlich interessant, weil die Fotografen, die ihn fotografieren, korrigiert er immer alle. Bei uns hat er sich ganz rausgehalten.
Erich Lessing fotografiert ja nachwievor analog, man sieht ihn aber auch am Computer und iPad arbeiten. Wie geht es euch mit dem Übergang vom Analogen zum Digitalen?
Ja, er geht voll mit der Technik mit. Und er ist auch kein Nostalgiker. Das finde ich ganz spitze, das ist sehr ungewöhnlich. Sonst heißt es ja immer “ah, früher war alles besser…”
Aber wenn du die Technik kennst, wenn du entwickeln kannst per Hand und vergrößern und so, tust du dich dann mit diesem Hintergrund leichter, weil du dich dann nicht so schnell verlierst wie heutzutage, wo man den Film dann aus hunderten Stunden Material erst neu erfinden muss. Wir haben ja noch zwei Filme analog am Schneidetisch geschnitten, Kader für Kader. Wir haben selbst jetzt bei diesem Film auf Video nicht so wahnsinnig viel über den Rahmen hinaus gedreht.
Wir haben uns auch entschieden, unseren nächsten Film auch wieder auf Super-16 zu drehen, weil wir das einfach zu zweit schaffen. Das ist eh schon ungewöhnlich genug. Das ist eben noch nicht so einfach das Digitale, wenn du wirklich gute Qualität willst.
Und es ist auch jetzt eine große Frage für die Zukunft des Kinos, wer wird DCP (digitaler Kinostandard, Anm.) in 20 Jahren noch lesen können? Da gibt es noch eine große Unsicherheit. Erich Lessing sagt ja, er befürchtet, dass von dieser Zeit in der wir jetzt leben am wenigsten übrig bleiben wird.
War es eher eine Schwierigkeit oder etwas Dankbares einen Film über Fotografie zu machen?
Was wir nicht wollten, war Fotos abzufilmen uns einen Off-Text dazu, das ist zu einfach. Was uns sehr interessiert hat, war, wie ein Fotograf seine eigenen Arbeit reflektiert. Das finde ich auch so schön, dass er einfach sehr kritisch ist und sehr oft sagt, das ist banal, das ist schlecht. Gerade die Arbeit an dem Buch, die wir über zwei Jahre verfolgt haben: das erste Aussuchen, das zweite Aussuchen, das dritte Aussuchen und kurz vor der Fertigstellung das komplette In-Frag-Stellen.
Das ist auch wieder eine Parallele zum Filmemachen: Du kommmst immer an einen Punkt, wo du wieder in Frage stellst, ob das jetz zu einem guten Punkt kommen wird. Das ist auch eine Art von Mut zu sagen, das stelle ich jetzt so fertig.
Ist das zu zweit einfacher? Ihr macht ja alle Projekte gemeinsam.
Oh ja, das ist schon eine totale Unterstützung, gerade wenn einer ein bisschen einen Durchhänger hat und mal nicht mehr so viel Auftrieb, dann pusht der andere. Auch, dass die Verantwortung geteilt wird. Wir machen gemeinsam die Regie und das Organisatorische und dann macht der Rainer die Kamera und ich den Ton. Geschnitten hat den Film Emily Artmann. Heuzutage wird der Schnitt immer wichtiger für Dokumentationen, weil ja viel Material vorhanden ist und der Schnitt einfach die Richtung und den Rhythmus gibt. Und das hat sie einfach super gemacht. Für uns ist das jetzt eine totale ‘Zukunftsinvestition’, dass das Team von zwei auf vier gewachsen ist. Beim “Glanz des Tages” war ja auch noch ein Tonmann mit dabei, auf den wir uns auch verlassen können. Immerhin verdoppelt also, das ist schon ganz schön – aber das ist das Maximum.
Ihr seid beide gelernte Fotografen. Wie ist es euch gegangen über Fotografie einen Film zu machen? Wie seid ihr eigentlich zum Film gekommen nachdem ihr Fotografie studiert habt?
Wir haben eigentlich beide Film machen wollen von Anfang an. In die Filmakademien ist sehr schwer reinzukommen, grade von Südtirol aus. Ich bin quasi über die Fotografie dann zum Film, das war schon immer die Intention. Aber Fotografie zu studieren ist ja eine ganz große Vorbereitung. Die Einflüsse in meiner filmischen Arbeit kommen zuallererst von der Fotografie, vom August Sander, von Diane Arbus, von William Klein.
Gibt es Parallelen zwischen eurer Arbeit und der Reportagefotografie wie sie Erich Lessing gemacht hat?
Film ist ein visuelles Medium. Natürlich ist Dokumentation da um Sachen zu erzählen, um Fakten mitzuteilen. Aber ich finde, es ist ein Fehler, wenn die visuelle Qualität komplett wegfällt. Aber Du kannst einen visuell wunderbaren Film machen, wenn Du dich nicht dem Protagonisten näherst und kein Gefühl entwickelst, dann ist er einfach nicht gut. Das visuelle ist nicht genug. Es ist immer ein Mittelding zwischen beidem.
Also gilt das Zitat von Erich Lessing auch für euch: „Ich bin Geschichtenerzähler. Meine Bilder müssen etwas aussagen. Schöne Bilder zu machen überlasse ich anderen.“
Ja, das können wir unterschreiben!
In welche Richtung geht euer nächstes Projekt?
Es wird wieder ein Spieldokumentarfilm. Das macht uns, muss ich ehrlich sagen, am meisten Spaß. Wir sind gerade beim Schreiben und hoffen, dass wir das finanzieren können.
“Der Fotograf vor der Kamera” wurde ja auch von der BLS mitunterstützt.
Die BLS hat uns für diesen Film ein bisschen was gegeben. Das war aber eine Ausnahme, ein einziges Mal, weil ich Südtirolerin bin und weil wir ein bisschen was in Südtirol ausgeben.
Was ich schade finde ist, dass du eine Filmförderung hast, die rein auf Wirtschaft bedacht ist, die rein auf Wiederverwertung des Geldes bedacht ist. Wenn Du soviel Geld hast – und das find ich jetzt nicht wegen mir – kannst du einen ganz kleinen Teil für künstlerische Filme ausgeben. Ich find einfach das Denken, dass Du nur Dinge machst, die auch wirtschaftlich zurückkommen, einfach falsch in der Kunst. Und Film ist eben auch Kunst. Dass sie sich nur auf diese Ausrichtung konzentrieren find ich ein bisschen schade.
Es gibt Produktionen, die extra auf einer Hütte im Schnalstal etwas drehen, damit sie Geld kriegen, aber das mache ich nicht. Und was geben wir schon aus in Südtirol, wenn wir zu zweit auf dem Dreh sind? Wir können der Wirtschaft nichts gutes tun. Unsere Produktionsweise ist zu billig für Südtirol.
ZUM FILM
“Der Fotograf vor der Kamera” ist ein Porträt des österreichischen Fotografie-Veterans Erich Lessing. Die rein beobachtende Dokumentation begleitet den 90-jährigen über zwei Jahre bei seinem immer noch überaus aktiven Leben: in seiner neueröffneten Wiener Galerie und bei der Vorbereitung und Auswahl seines “letzten Fotobuches”. Erich Lessing ist Mitglied der berühmten Magnum-Reportage-Fotoagentur; von ihm stammt unter anderem das berühmte Staatsvertragsfoto von Leopold Figl auf dem Balkon des Belvedere.
“Der Fotograf vor der Kamera ist die vierte Langfilmarbeit von Tizza Covi und ihrem Wiener Partner Rainer Frimmel; zuletzt waren die beiden mit “Der Glanz des Tages” (Filmtage Bozen 2013) international erfolgreich.