Diese TV-Kritik bezieht sich auf die europäische Serie „Borgia“, nicht auf die US-Serie „Borgias“, die beide 2011 als englischschsprachige Konkurrenz-Produktionen mit gleichem Konzept entstanden – eine Idiotie sondergleichen! Auf einen verwirrenden Vergleich habe ich jedoch wg. Platzmangels verzichtet.
Angesicht der fortschrittlichen Worte des netten aktuellen Papstes Franziskus vergisst man beinahe, dass seine Vorgänger auf dem Stuhl Petri oft weniger angenehme Zeitgenossen waren. Am berüchtigsten ist jene Zeit, von der die Serie “Borgia” erzählt. Kommenden Montag endet die zweite Staffel der europäischen Gemeinschaftsproduktion.
Wie schon in der ersten Staffel geht es um die Intrigen der spanischen Familie Borgia und ihren Pater Familias Rodrigo alias Papst Alexander. Die zweite Staffel ist insgesamt etwas dunkler angelegt. Der Sohn des Papstes Cesare rückt stärker in den Fokus. Er versucht nun als Feldherr anstatt im Priestergewand Karriere zu machen. Rot und Schwarz heißen diese beiden Wege zur Macht beim französischen Schriftsteller Stendhal. Das Ziel ist allerdings das gleiche: Machtgewinn und Machterhalt für die eigenen Familie – so gesehen ist “Borgia” eine Familienserie. Gott allerdings ist in diesem irdischen Spiel nur als moralische Drohung der ewigen Verdammnis präsent. Die Mehrheit der armen Bevölkerung kommt natürlich – auch in der Serie – bestenfalls am Rande vor, als schmutziger Pöbel. Und auch die Frauen spielen nur eine melodramatische Nebenrolle im Machtpoker – auch wenn am Ende eine Überraschung auf Lucrezia Borgia wartet. Sie sind zur Befriedigung der Männer da und dürfen sich für die Kamera entblößen.
Nachwievor geht es den Machern der Serie darum, das Image des verkommenen Sittenbildes im Vatikan als Unterhaltung zu inszenieren. Deshalb versuchen sie die dialoglastigen Szenen des endlosen Intrigen-Spinnens auch mit Sex und Gewalt aufzufetten. Für’s Fernsehen ist das ungewohnt, zumal im katholischen Österreich, weshalb der ORF die Serie auch erst im Spätprogramm sendet. Wirklich skandalös sind die nackten Körper und sexuellen Ausschweifungen aber heutzutage auch nicht. Der Papst hat Sex und Kinder: zu jener Zeit normal und heute für 600 Minuten Serie etwas zu wenig aufregend. Und auch die Gewalt bleibt auf einige brutale Andeutungen beschränkt. Vorallem aber bleibt in der überladenen Geschichte leider wenig Zeit für das Ausarbeiten der Figuren und Beziehungen und damit die Spannung auf der Strecke.
Historisch ist das alles nur bedingt; das muss man von einer Fernsehserie aber auch nicht erwarten. Wer sich für die realen Hintergründe der Borgias und ihrer Zeit interessiert, ist bei der Dokumentation “Der Fall Borgia” richtig, die zum Start der Staffel zu sehen war (wer sie verpasst hat: sie ist in der ZDF Online-Mediathek abrufbar).
Wem dagegen das Intrigenspiel um Macht zusagt, dem sei stattdessen die US-Serie “House of Cards” ans Herz gelegt. Sie spielt in der Welt des US-Congress und ist somit gerade topaktuell. Die Machtkämpfe sind dort wesentlich spannender und intelligenter erzählt als der vermeintlich historische Kostümreigen der Borgias. Und noch dazu ist mit Kevin Spacey als skrupellosem Politiker eine Figur von wahrhaft Shakespeareschen Format am Werk. “House of Cards” ist das bessere “Borgia”.
[erschienen in Die Dolomiten, Print-Ausgabe vom Sa 5.10.2013] – gegenüber der Religionsseite